"Hoffnungsvollfroh"... geschafft!
Ja, es gibt schon einen Blog mit diesem Titel, ich habe ihn vor etwa 18 Monaten geschrieben.
Aber nun hat "Hoffnungsvollfroh" eine neue Bedeutung.
"Hoffnungsvollfroh oder Ein Sommer auf ME.10" so heißt das Buch, das ich über die schlimmste Zeit meines Lebens geschrieben habe. Die Diagnose einer tödlichen Erkrankung und das Warten auf einen Stammzellspender, Hochdosischemotherapie und Stammzelltransplantation. Abstoßungsreaktionen, beinahe tödliche Infekte. Schmerzen. Verzweiflung und Angst. All das habe ich aufgeschrieben, vor allem für mich. Aber auch für Euch.
Die Krönung dieser Jahre der Ungewißheit war das hochemotionale Treffen mit meiner Stammzellspenderin, die mich im Sommer 2018, zwei Jahre nach ihrer Spende, in Düsseldorf besucht hat.
Ein ganzes Wochenende haben wir miteinander verbracht, den Grundstein für eine innige Freundschaft gelegt.
Seit diesem Wochenende sehen wir uns regelmäßig und freuen uns diebisch über unsere Verbundenheit, unser blindes Verstehen. Wir lachen über die gleichen Dinge. Wir lieben den gleichen Wein und leckeres Essen. Wir kochen gerne miteinander und sitzen anschließend mit untergezogenen Beinen stundenlang am Tisch.
Kleine Schwester und große Schwester... unvorstellbar, wir sind doch keine kleinen Mädchen mehr. Und doch, es ist genau so!
Wir schreiben uns täglich. Wir telefonieren mindestens zweimal in der Woche miteinander. Wir planen unsere Wochenenden entweder minutiös, damit wir auf keinen Fall Zeit verplempern - oder wir lassen uns treiben.
Es geht mir inzwischen viel besser, aber ich bin nicht gesund, werde es auch nicht. Noch immer ist mein Immunsystem fragil, mir fehlen haufenweise Abwehrkräfte, die "Killerzellen", ich fange mir schnell Infekte jeder Art ein und bin oft lahm gelegt. Aber egal: ich lebe!
Jetzt lasse ich meine Geschichte los und hoffe, dass die wirklich furchtbaren Gedanken und Träume allmählich mein Hirn und meine Seele verlassen.
Ich bin "Hoffnungsvollfroh" und freue mich auf Eure Reaktionen!
Hier geht's zum Buch
Bea Kallen Düsseldorf
Neues. Von mir.
Dienstag, 7. Mai 2019
Hoffnungsvollfroh...
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verzweiflung
Mittwoch, 8. August 2018
Pia kommt!
Freitag, 27. Juli 2018 - in Düsseldorf zeigt das Thermometer an diesem Tag auch abends um 18.30h noch unglaubliche 37 Grad.
Meine Freundin ruft mich an, sie wird mich auf dem wichtigsten Weg der letzten siebenhundertdreiundsiebzig Tage begleiten - "Ich sitze im Höfchen", sagt sie. Es ist noch ein kleines bißchen zu früh, ich gieße uns einen Schluck Rosé in einen kalten Metallbecher, schnappe eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und laufe die Treppe hinunter, nicht so einfach mit hohen Hacken, die ich in den letzten Jahren nicht mehr getragen habe. Wir nehmen uns in den Arm: "Bist Du nervös?" fragt sie. Ja. Ich bin.
Heute endlich werde ich meine Stammzellspenderin treffen. Zwei Jahre und 43 Tage habe ich auf diesen Tag gewartet, oft gedacht, ich werde ihn nicht erleben. Es ist schwer, zu beschreiben, was in mir vorgeht. Ich bin aufgewühlt, ich hoffe, dass sie mich mag, ich weiß, dass ich sie mögen werde. Ich habe Angst, zusammenzuklappen, mitten auf dem Bahnsteig. Inmitten all der Menschen, die in all den verspäteten Zügen an diesem heißen Abend unterwegs sind.
Wir laufen los. U-Bahn zum Hauptbahnhof, inzwischen weiß ich, dass Pia mit etwa 30 Minuten Verspätung ankommt. Wir schreiben uns seit dem Morgen ununterbrochen WhatsApp-Nachrichten, beide haben wir uns diesen Tag frei genommen. Beide wollten wir uns - unabhängig voneinander - in Ruhe auf dieses Treffen vorbereiten.
Und so lachen wir via Handy miteinander über typischen Mädelskram wie "Was ziehe ich an?" Schuhe? Tasche? Was machen wir morgen? Übermorgen?
Dann endlich schreibt sie "Ich sitze im Zug! Meinen reservierten Platz gibt es nicht, auch keine Klimaanlage! Ich MUSS duschen, wenn ich ankomme!"
Karin passt auf mich auf, lenkt mich ab, kauft nochmal Kaltgetränke, ich sage zum wohl hundertsten Mal, dass sie auf jeden Fall Fotos machen muss. Bloß nicht vergessen.
"Wir stehen auf freier Strecke!" - Damit rechne ich seit Stunden. Die Bahn und Sommer in Deutschland, in der Regel geht das schief, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß.
Dann ein Anruf. Pia... ich sehe sie irgendwo in NRW in trockenem Gebüsch stehen, mein Herz rast. Tatsächlich soll sie zusammen mit den anderen Passagieren den IC in Essen verlassen und mit einem Regio Richtung Aachen weiterfahren. Klimatisiert, immerhin. Die verspätete Ankunftszeit bleibt. Der Bahnsteig wird immer voller. Hunderte Menschen warten, ungeduldig, gereizt, aggressiv. Nur wenige sind entspannt. Ich zähle definitiv nicht dazu.
Der Zug fährt ein, ich stehe am Bahnsteigrand und versuche, in jedes Fenster, jede Tür zu blicken. Keine Chance. Zu schnell. Zu viele Leute, zu viel Gedränge.
Raus und rein geht es, ich klammere mich an meinen Fächer, halte die Hände vor mein Gesicht. Wo ist sie bloß? Ist das der richtige Zug? Das richtige Gleis? Der Bahnsteig leert sich. Und da - ich sehe sie, ganz vom Ende des roten Ungetüms kommt sie auf mich zu. Ich erkenne das beschriebene Kleid und renne los, schubse, drängle, quetsche mich zwischen erschrockenen Menschen durch, entschuldige mich im Lauf.
Und dann haben wir uns im Arm, ich muss heulen, sie hält mich fest. "Alles ist gut!" Karin kommt, sie hat fotografiert und muss auch ein bißchen schlucken. Endlich.
Ja. Alles ist gut. Wir "kennen" uns aus unseren vielen Briefen und Karten, wir haben uns Vieles erzählt, aber jetzt ist sie da. Wirklich und wahrhaftig. Eine schöne, fröhliche und witzige Frau. Zwölf Jahre jünger als ich und sieht aus wie Mitte 20. Unglaublich. Ich mag ihre Stimme. Ihr Lachen. Wir reden ohne Unterbrechung.
Es folgt ein Abendessen mit meiner engsten Familie. Gespräche eine halbe Nacht lang. Ein Frühstück in aller Herrgottsfrühe, bloß keine Minute der kostbaren Zeit verplempern. Wir fahren und laufen durch die Stadt, reden ohne Unterlass. Keine Pause. Ein Glas Champagner in einer der schönsten Bars der Stadt. Ein Mittagessen. Ein bißchen Pause.
Und dann ein großes Fest mit den liebsten Freunden und allen, die mich begleitet haben in den letzten Jahren. Musik. Gespräche. Freudentränen. Emotionen pur. Der Abend wird lang, die Nacht ist kurz.
Wir feiern uns. Wir feiern das Leben. Wir feiern, dass wir uns so sehr mögen. Wir feiern mein Überleben.
Am nächsten Tag bringe ich sie mit meinem Bruder zum Bahnhof. Ich muss weinen, als der Zug aus dem Bahnhof rollt.
Ich habe eine kleine, erwachsene Schwester bekommen. "Gute Nacht, große Schwester in Düsseldorf."
Wir sehen uns wieder, ganz bald.
Meine Freundin ruft mich an, sie wird mich auf dem wichtigsten Weg der letzten siebenhundertdreiundsiebzig Tage begleiten - "Ich sitze im Höfchen", sagt sie. Es ist noch ein kleines bißchen zu früh, ich gieße uns einen Schluck Rosé in einen kalten Metallbecher, schnappe eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und laufe die Treppe hinunter, nicht so einfach mit hohen Hacken, die ich in den letzten Jahren nicht mehr getragen habe. Wir nehmen uns in den Arm: "Bist Du nervös?" fragt sie. Ja. Ich bin.
Heute endlich werde ich meine Stammzellspenderin treffen. Zwei Jahre und 43 Tage habe ich auf diesen Tag gewartet, oft gedacht, ich werde ihn nicht erleben. Es ist schwer, zu beschreiben, was in mir vorgeht. Ich bin aufgewühlt, ich hoffe, dass sie mich mag, ich weiß, dass ich sie mögen werde. Ich habe Angst, zusammenzuklappen, mitten auf dem Bahnsteig. Inmitten all der Menschen, die in all den verspäteten Zügen an diesem heißen Abend unterwegs sind.
Wir laufen los. U-Bahn zum Hauptbahnhof, inzwischen weiß ich, dass Pia mit etwa 30 Minuten Verspätung ankommt. Wir schreiben uns seit dem Morgen ununterbrochen WhatsApp-Nachrichten, beide haben wir uns diesen Tag frei genommen. Beide wollten wir uns - unabhängig voneinander - in Ruhe auf dieses Treffen vorbereiten.
Und so lachen wir via Handy miteinander über typischen Mädelskram wie "Was ziehe ich an?" Schuhe? Tasche? Was machen wir morgen? Übermorgen?
Dann endlich schreibt sie "Ich sitze im Zug! Meinen reservierten Platz gibt es nicht, auch keine Klimaanlage! Ich MUSS duschen, wenn ich ankomme!"
Karin passt auf mich auf, lenkt mich ab, kauft nochmal Kaltgetränke, ich sage zum wohl hundertsten Mal, dass sie auf jeden Fall Fotos machen muss. Bloß nicht vergessen.
"Wir stehen auf freier Strecke!" - Damit rechne ich seit Stunden. Die Bahn und Sommer in Deutschland, in der Regel geht das schief, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß.
Dann ein Anruf. Pia... ich sehe sie irgendwo in NRW in trockenem Gebüsch stehen, mein Herz rast. Tatsächlich soll sie zusammen mit den anderen Passagieren den IC in Essen verlassen und mit einem Regio Richtung Aachen weiterfahren. Klimatisiert, immerhin. Die verspätete Ankunftszeit bleibt. Der Bahnsteig wird immer voller. Hunderte Menschen warten, ungeduldig, gereizt, aggressiv. Nur wenige sind entspannt. Ich zähle definitiv nicht dazu.
Der Zug fährt ein, ich stehe am Bahnsteigrand und versuche, in jedes Fenster, jede Tür zu blicken. Keine Chance. Zu schnell. Zu viele Leute, zu viel Gedränge.
Raus und rein geht es, ich klammere mich an meinen Fächer, halte die Hände vor mein Gesicht. Wo ist sie bloß? Ist das der richtige Zug? Das richtige Gleis? Der Bahnsteig leert sich. Und da - ich sehe sie, ganz vom Ende des roten Ungetüms kommt sie auf mich zu. Ich erkenne das beschriebene Kleid und renne los, schubse, drängle, quetsche mich zwischen erschrockenen Menschen durch, entschuldige mich im Lauf.
Und dann haben wir uns im Arm, ich muss heulen, sie hält mich fest. "Alles ist gut!" Karin kommt, sie hat fotografiert und muss auch ein bißchen schlucken. Endlich.
Ja. Alles ist gut. Wir "kennen" uns aus unseren vielen Briefen und Karten, wir haben uns Vieles erzählt, aber jetzt ist sie da. Wirklich und wahrhaftig. Eine schöne, fröhliche und witzige Frau. Zwölf Jahre jünger als ich und sieht aus wie Mitte 20. Unglaublich. Ich mag ihre Stimme. Ihr Lachen. Wir reden ohne Unterbrechung.
Es folgt ein Abendessen mit meiner engsten Familie. Gespräche eine halbe Nacht lang. Ein Frühstück in aller Herrgottsfrühe, bloß keine Minute der kostbaren Zeit verplempern. Wir fahren und laufen durch die Stadt, reden ohne Unterlass. Keine Pause. Ein Glas Champagner in einer der schönsten Bars der Stadt. Ein Mittagessen. Ein bißchen Pause.
Und dann ein großes Fest mit den liebsten Freunden und allen, die mich begleitet haben in den letzten Jahren. Musik. Gespräche. Freudentränen. Emotionen pur. Der Abend wird lang, die Nacht ist kurz.
Wir feiern uns. Wir feiern das Leben. Wir feiern, dass wir uns so sehr mögen. Wir feiern mein Überleben.
Am nächsten Tag bringe ich sie mit meinem Bruder zum Bahnhof. Ich muss weinen, als der Zug aus dem Bahnhof rollt.
Ich habe eine kleine, erwachsene Schwester bekommen. "Gute Nacht, große Schwester in Düsseldorf."
Wir sehen uns wieder, ganz bald.
Dienstag, 17. Juli 2018
Wir feiern das Leben...
Monatelang haben Dutzende Menschen - Fremde, Freunde, Mitpatienten - mit mir gezählt, von Hundert rückwärts bis zum Tag Null. Diesmal stand die "Null" für den Tag, an dem ich endlich erfahren würde, wer meine Stammzellspenderin ist und nicht wie üblich für den Tag der Transplantation.
1 von 2 - Klaus-Michael Köhler |
Zufällig war der 14. Juni auch der Tag, an dem ich in der Uni zur monatlichen (!) Kontrolle antreten musste, dort war alles vorbereitet für den Datenaustausch mit der DKMS, meine Spenderin hatte schon Tage zuvor ihre Daten freigegeben, und nun sollte ich endlichendlichendlich erfahren dürfen, wer sie ist.
Zunächst war alles Routine, die obligatorische Blutabnahme im Zentrallabor, das anschließende Warten, die Unterhaltung mit Mitpatienten, ein bißchen Austausch mit den mir so ans Herz gewachsenen Mitarbeitern des KMT-Teams. Einige wussten, dass es mein so heiß ersehnter 2. Jahrestag war und freuten sich mit mir.
Wie oft hatte ich mir gewünscht, wenigstens bis zu diesem Tag durchzuhalten, selber "Dankeschön" sagen zu dürfen.
Gegen 13.30h bin ich, versehen mit neuen Blutwerten, neuen Terminen in anderen Fachkliniken, neuen Medikamenten - aber ohne Adresse, ohne Namen und wahnsinnig enttäuscht nach Hause gefahren.
Alle hatten alles gegeben und nun? Nix. Kurz darauf war klar: ein Faxgerät hatte versagt... Kurzentschlossen setzten sich zwei entschlossene Frauen in Düsseldorf (die Sekretärin "meines" Professors) und Tübingen (die für den Datenaustauch verantwortliche S. - ich hatte sie nur wenige Tage zuvor kennengelernt) ans Telefon und gaben der jeweils anderen die so sehr erwarteten Daten durch.
Und während ein paar Minuten darauf mein Telefon klingelte und ich noch Namen und Telefonnummer schrieb, plingte es: "Und jetzt kommt eine Überraschung, liebe Grüße von Deiner Stammzellspenderin... Ich habe soeben Deine Mobilnummer von der DKMS bekommen... Ich freue mich schon auf unser 1. Telefonat." Bämm. Sie war schneller als ich - wie gemein.
Beide hatten wir keine Zeit, haben uns auf den nächsten Abend vertagt und dann saß ich hier, den Blick auf Blühendes gerichtet, ein Glas Wein vor mir und habe mit ihr telefoniert, mit ihr, meiner Lebensretterin.
Wir waren uns sofort vertraut, gar nicht fremd und kein bißchen unsicher. So viele Briefe haben wir uns geschrieben, uns immer versprochen, dass wir uns sehen werden.
Schon nach ein paar Minuten sagte sie: "... und natürlich komme ich nach Düsseldorf." So leicht hat sie mir all das gemacht, was ich sie fragen wollte.
Danach habe ich geweint, ich war fix und fertig und glücklich und aufgeregt.
Nun ist es also soweit: ich zähle die Tage, wieder rückwärts, von 10 bis 0. Morgen bin ich schon bei 9, nächste Woche kommt Pia. Seit Wochen schreiben wir uns beinahe täglich und immer stundenlang. Es ist ein seltsames, beglückendes, ganz wunderbares Gefühl. Wir empfinden das beide gleich, welch ein Glück. Kenntnis wird zu Kennenlernen.
Pia kommt. Wir feiern das Leben.
Freitag, 15. Juni 2018
I can hear my heart beat...
Gestern: Ende der Anonymitätsfrist. Herzklopfen bis zum Hals. Schwupp, eine WhatsApp meiner Spenderin. Ich antworte, wir schicken Fotos hin und her, haben aber beide keine Zeit. Verabreden Telefonat für heute ab 20.00h.
Ich rufe an. 95 Minuten und 41 Sekunden Gespräch mit einer Frau, die mir vollkommen fremd und doch völlig vertraut ist.
In 6 Wochen sehen wir uns. Dann feiern wir das Leben!
Danke Pia! ❤️ Danke DKMS!
Sonntag, 15. April 2018
Reiseerlebnis. Schon wieder.
Meine Reiseerlebnisse sind immer besonders, so selten sie vorkommen.
Nach einem sehr langen und für mich anstrengenden Tag mit sieben Vorträgen, neuen Erkenntnissen, manchem Gespräch mit Ärzten, dem Treffen mit einem Mitarbeiter der DKMS und nicht zuletzt mit Anita Waldmann, der ersten Vorsitzenden der Leukämiehilfe Rhein-Main, entschließe ich mich, den allerletzten Vortrag zu schwänzen, mein Kopf ist zum Bersten voll.
Hinter mir, verteilt im Wagen, eine Reisegruppe älterer Belgier, überaus lustig, überaus laut, überaus betrunken. Von links hinten schwappt bei jeder Bewegung der mitreisenden Dame eine Welle Schweiß über mich hinweg. Schlimm. Wirklich schlimm. In Ermangelung eines Mundschutzes (wie blöd muss ich sein) ziehe ich mir mein Tuch über Mund und Nase. Hilfe!
Mittlerweile werden die beiden nächst erreichbaren Toiletten gesperrt, verstopft, übergelaufen, die Türen sind nicht dicht. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Abfallbehälter quellen über, das Grauen hat einen Namen. Ständig rempelt einer der Vorbeilaufenden mich an. Jedesmal wird nach dem vergeblichen Rütteln an der Klo-Tür quer durchs Abteil gebrüllt: "Ze zit vol!!!" Immer!
Koblenz. Immer mehr und mehr und noch mehr Leute quetschen sich in den Zug. Unseren freien Platz erklettert sich ein junger Chinese, auch er wohlgenährt, Stöpsel in den Ohren, in den Händen vier Schoko-Puddings, die er in affenartiger Geschwindigkeit in seinen Mund löffelt, Puddingschale wie die Reisschale ganz dicht am Mund, die Hand rotierend. Ich kann nicht mehr, sehe mich in dieser Runde junger, dicker Männer und muss lachen.
Köln. Die Belgier steigen aus. Alles steht schon drei Kilometer vor dem Dom im Gang, Jacken werden übergeworfen, Hosen hochgezogen, ich kuck aus dem Fenster und halte die Luft an. Ich kuck zurück und direkt in einen Bauchnabel, mitten auf einem üppigen Bauch. Jetzt ist mir schlecht.
Dann endlich Ruhe. Himmlische Ruhe in Wagen 257.
Ich suche mir einen freien Platz. Gleich bin ich zuhause. Gehe ins GoGo. Ich brauch' einen Drink.
Nach einem sehr langen und für mich anstrengenden Tag mit sieben Vorträgen, neuen Erkenntnissen, manchem Gespräch mit Ärzten, dem Treffen mit einem Mitarbeiter der DKMS und nicht zuletzt mit Anita Waldmann, der ersten Vorsitzenden der Leukämiehilfe Rhein-Main, entschließe ich mich, den allerletzten Vortrag zu schwänzen, mein Kopf ist zum Bersten voll.
Ich mache mich also in der Uni-Klinik Mainz auf den Weg, ein Taxi zu bekommen, nicht so leicht, wie sich herausstellen soll. Ein liebenswerter Mitarbeiter hilft mir, sagt, bleiben Sie da draußen, ich rufe an, kann aber dauern. Macht nichts, ich habe durchaus reichlich Zeit und genieße die laue Luft nach dem Tag, der um halb fünf begann. Zwanzig Minuten später steige ich ein und am Bahnhof wieder aus, denke ESPRESSO, gönne mir aber als erstes eine Wooosch. Mit Fritten und Mayo!
Der Blick auf den Bahnhofsplatz ist hier nicht anders als woanders, ein paar Irre, ein paar Nette, ein paar Pärchen. Jetzt aber wirklich Kaffee. Und noch ein Magazin, das ich in Düsseldorf seit Tagen vergeblich suche. Und ein Schoko-Croissant. Sünde über Sünde.
Der Blick auf den Bahnhofsplatz ist hier nicht anders als woanders, ein paar Irre, ein paar Nette, ein paar Pärchen. Jetzt aber wirklich Kaffee. Und noch ein Magazin, das ich in Düsseldorf seit Tagen vergeblich suche. Und ein Schoko-Croissant. Sünde über Sünde.
Auf dem Bahnsteig ergattere ich noch eine Bank, wieder in der so streng verbotenen Sonne, egal. Blättere, kucke, staune, es wird voll. Ich meine: VOLL. Gottseidank habe ich eine Sitzplatzreservierung, denke ich.
Der Zug ist pünktlich, Wagen 257 steht nicht da, wo er laut Wagenstandsanzeiger sollte, ich renne hinterher, heute glücklicherweise ohne Gepäck, mancher wird sich erinnern. Huch, was ist hier los, das ist ein unvertrauter Blick, in-Vierer-Gruppen angeordnete offene Sitzabteile, ich bin in einem Wagen der SBB, der Schweizer Bundesbahn, klar, ist ein Eurocity. Natürlich bin ich am falschen Ende eingestiegen und natürlich muss ich mich wie alle anderen durch die Menge zu meinem Platz kämpfen. Es ist irre laut, es stinkt. Da ist er, mein Platz, Nr. 26 und darauf er, ein kleiner kugelrunder Inder, vielleicht auch ein Pakistani, ich weiß es nicht. Springt sofort auf, als ich sage, bitte, das ist mein Platz. "Müssen Sie buchen!" "Ja, hab ich, hier..." Leider hat die Bahn vergessen, eine entsprechende Kennzeichnung anzubringen, wir stehen beide blöd rum und vor allem im Weg, ich sag ihm, er soll sich wieder setzen, ich hocke mich daneben. Vor ihm stehen Reisegetränke, Paulaner, ein Six-Pack. Halleluja. Mir gegenüber: ein sicher zwei Meter großer, sehr junger Mann, Stöpsel in den Ohren, Hände unablässig in der Plätzchentüte. 150 kg, schätze ich. Nicht Plätzchen, er. Es ist eng, dabei ist sogar noch ein Platz frei, nicht so richtig, dafür ist mein Gegenüber einfach zu viel Mensch.
Hinter mir, verteilt im Wagen, eine Reisegruppe älterer Belgier, überaus lustig, überaus laut, überaus betrunken. Von links hinten schwappt bei jeder Bewegung der mitreisenden Dame eine Welle Schweiß über mich hinweg. Schlimm. Wirklich schlimm. In Ermangelung eines Mundschutzes (wie blöd muss ich sein) ziehe ich mir mein Tuch über Mund und Nase. Hilfe!
Links neben mir, nur getrennt durch den schmalen Gang, vier vietnamesische junge Frauen. Mit vier vietnamesischen Babies und Kleinkindern. Die Kinder schlafen, die Frauen schnäbbeln unentwegt in hohem Sing-Sang, pausenlos, laut. Dann wird Kind eins wach. Dann alle, alle Kinder brüllen, alle Mütter überkreischen das. Ich will hier weg.
Mittlerweile werden die beiden nächst erreichbaren Toiletten gesperrt, verstopft, übergelaufen, die Türen sind nicht dicht. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Abfallbehälter quellen über, das Grauen hat einen Namen. Ständig rempelt einer der Vorbeilaufenden mich an. Jedesmal wird nach dem vergeblichen Rütteln an der Klo-Tür quer durchs Abteil gebrüllt: "Ze zit vol!!!" Immer!
Lesen ist unmöglich, es ist so eng, dass ich nicht mal eine Zeitschrift halten könnte, der Akku meines Handys ist leer, ich kann nur noch einen Hilferauf an meinen Mann absetzen.
Koblenz. Immer mehr und mehr und noch mehr Leute quetschen sich in den Zug. Unseren freien Platz erklettert sich ein junger Chinese, auch er wohlgenährt, Stöpsel in den Ohren, in den Händen vier Schoko-Puddings, die er in affenartiger Geschwindigkeit in seinen Mund löffelt, Puddingschale wie die Reisschale ganz dicht am Mund, die Hand rotierend. Ich kann nicht mehr, sehe mich in dieser Runde junger, dicker Männer und muss lachen.
Köln. Die Belgier steigen aus. Alles steht schon drei Kilometer vor dem Dom im Gang, Jacken werden übergeworfen, Hosen hochgezogen, ich kuck aus dem Fenster und halte die Luft an. Ich kuck zurück und direkt in einen Bauchnabel, mitten auf einem üppigen Bauch. Jetzt ist mir schlecht.
Dann endlich Ruhe. Himmlische Ruhe in Wagen 257.
Ich suche mir einen freien Platz. Gleich bin ich zuhause. Gehe ins GoGo. Ich brauch' einen Drink.
Samstag, 10. März 2018
Fehlstart...
Hoffnungsvollfroh bin ich in das neue Jahr gestartet, voller Optimismus und beseelt von dem alles überragenden Wunsch, endlich, endlich, so was wie Stabilität zu erreichen.
Das ist alles ziemlich in die Hose gegangen, die letzten Wochen des Jahres 2017 und die ersten des Jahres 2018 zeichneten sich aus durch schwere Schmerzen "im Bauch"... dauernde, immer stärker werdende Bauchschmerzen, ohne dass ich die genau hätte lokalisieren können.
Mitte Januar habe ich endlich einen Termin zur Ultraschalluntersuchung und noch am gleichen Abend gegen 20.30h ruft mich der so sehr verehrte Guru an und sagt: "Tja, Frau Kallen, Ihre Gallenblase muss raus". Das gefiel nun niemandem so sehr gut, weil ich immer noch kein funktionierendes Immunsystem und vor allem keine gescheite Gerinnung habe - aber: was muss, muss, eine geplatzte Galle ist auch nicht fein.
Ich lag schon seit Tagen immer wieder kreischend auf dem Sofa, im Bett oder auf dem Boden und wand mich in Gallenkoliken. So was Furchtbares habe ich nun wirklich noch nie erlebt und ich bin wahrhaftig schmerzerprobt, 74 Tage Klinik mit reichlich Beiwerk und viele, viele Nachwehen haben mich abgehärtet. Oder doch nicht? Täglich mehrfach hat mich so eine Attacke gepackt, es war grausig. Gut, wenn ich daheim war, aber im Job? Unter meinem Schreibtisch habe ich gelegen, grün vor Schmerzen, glücklicherweise ist es nicht weit bis nach Hause, Wärmflasche und Sofa waren immer nah, sozusagen mit mir verwachsen.
Sehr schnell hatte ich Gesprächs- und Untersuchungstermine im Neusser Lukaskrankenhaus und nur ein paar Tage nach meinem ersten Besuch dort fahre ich mit der Straßenbahn nach Neuss und bekomme tatsächlich noch während der Anreise eine weitere Kolik, glücklicherweise dauert die Fahrt dorthin ein Weilchen, bis dahin war das Schlimmste vorbei.
Ich wurde an einem Sonntagabend stationär aufgenommen, sollte am nächsten Morgen gegen 10.00h operiert werden. Ein riesiges Zimmer, eigentlich für drei Patienten, hatte ich zumindest für diese Nacht für mich alleine und ein fulminanter Blick auf den Rheinturm hat auch den Rest leichter gemacht. Was, wenn nun einer dieser Polypen bösartig ist, was wenn die Galle platzt, was, wenn...??? Fragen über Fragen.
Buch, Fernsehen und dann die obligatorische Pennpille haben mich ruhig schlafen lassen, am Morgen um halb sieben kam die nächste Patientin und wurde ratzfatz noch vor mir in den OP gefahren.
Gegen Mittag hatte die Wirkung der um halb 8 verabreichten Beruhigungtablette lange nach gelassen und so lag ich um 13.00h munter mit dem Anästhesisten plaudernd auf dem OP-Tisch, bekam eine Lokalanästhesie, um den Zugang zu legen, Verkabelung, dann die Worte: "Die Anästhesie läuft, es ist jetzt 13.15h, um halb drei wecke ich Sie wieder."
Um 16.30h war ich, schön zugeballert, wieder in meiner hübsch diskreten Nische in dem schon beschriebenen grossen Zimmer.
Eine unruhige Nacht, ich hatte Schmerzen, nicht allzu heftig, konnte mich aber noch nicht drehen und konnte auch nicht schlafen.
Am nächsten Morgen wieder Fließbandbetrieb: die eine raus, Putzkommando, neues Bett, neue Patientin. Eine Russin, sehr liebenswert, aber ohne jegliche Deutschkenntnisse, dafür mit Handy am Ohr, das sie immer dann benutzte, wenn Ärzte oder Schwestern eine Frage hatten, also ständig. Sie musste dann den Sohn, die Freundin, die Schwägerin anrufen, um sich alle Fragen übersetzen zu lassen und so wanderte das Handy stets hin und her. Alle waren genervt, auch ich.
Abends kam dann unsere dritte Mitbewohnerin, eine Türkin in etwa meinem Alter, begleitet von der jüngeren Schwester, deren Mann und dem gemeinsamen Kind. Der Schwager versorgte uns zunächst reihum mit Tee, dann wurde zweisprachig die für den nächsten Morgen geplante OP besprochen. Um 20.00h kamen Ehemann und Sohn der Patientin und so standen und saßen um das eine Bett die türkische Familie mit sechs Personen und unterhielt sich, um das andere fünf Russen. Alle parlierten in ihrer Landessprache und ja, es war höllisch laut und es war auch anstrengend. Bis 22.30h, dann gingen die ersten...
Zwei Tage nach der OP konnte ich nach Hause, war aber leider überhaupt nicht so fit, wie ich mir das vorgestellt hatte, im Bauch verbliebene Rest-Luft nach der laparoskopischen OP quälte mich noch tagelang. Und dann, ja dann hab ich mir sofort den verdammten Yamagata-Virus eingefangen. Influenza B... sehr lästig, schmerzhaft und vor allem hartnäckig.
Nun ist also der 10. März... die ersten beiden Monate des Jahres sind rum und ich war bis auf sehr wenige Tage ständig krank. Zu allem, was sowieso an mir nagt und mich bremst kommt ganz aktuell eine Glaskörpertrübung des rechten Auges, wer braucht sowas?
Aber auch: seit ein paar Tagen zähle ich rückwärts, in wenigen Wochen, genau in 96 Tagen, darf ich endlich erfahren, wer meine Spenderin ist und auch mit ihr telefonieren. Vermutlich bin ich dann einer Ohnmacht nahe, aber ich freue mich so sehr und ich bin wahnsinnig gespannt, wann wir uns endlich sehen werden.
Ich weiß, dass ich, allen Widrigkeiten zum Trotz, geradezu unverschämtes Glück habe, schon bis hierhin gekommen zu sein. Viele, viel zu viele meiner Mitpatienten haben es nicht geschafft, einige kämpfen noch immer bzw. schon wieder gegen Rezidive, Nachwirkungen der Transplantation, gegen neue Grunderkrankungen. Todesfälle in diesem kleinen Kreis lähmen mich immer wieder, machen mir die Fragilität meines eigenen Lebens klar.
Es hört nicht auf und meine Vermutung, lange vor meiner eigenen Transplantation ausgesprochen, hat sich bewahrheitet.
Mein Leben wird nicht mehr so, wie es einmal war. Aber ich lebe! Gute Freunde, Gäste und entfernte Bekannte laufen auf der Straße an mir vorbei, weil sie mich nicht erkennen - alles egal, ich lebe!
Das ist alles ziemlich in die Hose gegangen, die letzten Wochen des Jahres 2017 und die ersten des Jahres 2018 zeichneten sich aus durch schwere Schmerzen "im Bauch"... dauernde, immer stärker werdende Bauchschmerzen, ohne dass ich die genau hätte lokalisieren können.
Mitte Januar habe ich endlich einen Termin zur Ultraschalluntersuchung und noch am gleichen Abend gegen 20.30h ruft mich der so sehr verehrte Guru an und sagt: "Tja, Frau Kallen, Ihre Gallenblase muss raus". Das gefiel nun niemandem so sehr gut, weil ich immer noch kein funktionierendes Immunsystem und vor allem keine gescheite Gerinnung habe - aber: was muss, muss, eine geplatzte Galle ist auch nicht fein.
Ich lag schon seit Tagen immer wieder kreischend auf dem Sofa, im Bett oder auf dem Boden und wand mich in Gallenkoliken. So was Furchtbares habe ich nun wirklich noch nie erlebt und ich bin wahrhaftig schmerzerprobt, 74 Tage Klinik mit reichlich Beiwerk und viele, viele Nachwehen haben mich abgehärtet. Oder doch nicht? Täglich mehrfach hat mich so eine Attacke gepackt, es war grausig. Gut, wenn ich daheim war, aber im Job? Unter meinem Schreibtisch habe ich gelegen, grün vor Schmerzen, glücklicherweise ist es nicht weit bis nach Hause, Wärmflasche und Sofa waren immer nah, sozusagen mit mir verwachsen.
Sehr schnell hatte ich Gesprächs- und Untersuchungstermine im Neusser Lukaskrankenhaus und nur ein paar Tage nach meinem ersten Besuch dort fahre ich mit der Straßenbahn nach Neuss und bekomme tatsächlich noch während der Anreise eine weitere Kolik, glücklicherweise dauert die Fahrt dorthin ein Weilchen, bis dahin war das Schlimmste vorbei.
Ich wurde an einem Sonntagabend stationär aufgenommen, sollte am nächsten Morgen gegen 10.00h operiert werden. Ein riesiges Zimmer, eigentlich für drei Patienten, hatte ich zumindest für diese Nacht für mich alleine und ein fulminanter Blick auf den Rheinturm hat auch den Rest leichter gemacht. Was, wenn nun einer dieser Polypen bösartig ist, was wenn die Galle platzt, was, wenn...??? Fragen über Fragen.
Buch, Fernsehen und dann die obligatorische Pennpille haben mich ruhig schlafen lassen, am Morgen um halb sieben kam die nächste Patientin und wurde ratzfatz noch vor mir in den OP gefahren.
Gegen Mittag hatte die Wirkung der um halb 8 verabreichten Beruhigungtablette lange nach gelassen und so lag ich um 13.00h munter mit dem Anästhesisten plaudernd auf dem OP-Tisch, bekam eine Lokalanästhesie, um den Zugang zu legen, Verkabelung, dann die Worte: "Die Anästhesie läuft, es ist jetzt 13.15h, um halb drei wecke ich Sie wieder."
Um 16.30h war ich, schön zugeballert, wieder in meiner hübsch diskreten Nische in dem schon beschriebenen grossen Zimmer.
Eine unruhige Nacht, ich hatte Schmerzen, nicht allzu heftig, konnte mich aber noch nicht drehen und konnte auch nicht schlafen.
Am nächsten Morgen wieder Fließbandbetrieb: die eine raus, Putzkommando, neues Bett, neue Patientin. Eine Russin, sehr liebenswert, aber ohne jegliche Deutschkenntnisse, dafür mit Handy am Ohr, das sie immer dann benutzte, wenn Ärzte oder Schwestern eine Frage hatten, also ständig. Sie musste dann den Sohn, die Freundin, die Schwägerin anrufen, um sich alle Fragen übersetzen zu lassen und so wanderte das Handy stets hin und her. Alle waren genervt, auch ich.
Abends kam dann unsere dritte Mitbewohnerin, eine Türkin in etwa meinem Alter, begleitet von der jüngeren Schwester, deren Mann und dem gemeinsamen Kind. Der Schwager versorgte uns zunächst reihum mit Tee, dann wurde zweisprachig die für den nächsten Morgen geplante OP besprochen. Um 20.00h kamen Ehemann und Sohn der Patientin und so standen und saßen um das eine Bett die türkische Familie mit sechs Personen und unterhielt sich, um das andere fünf Russen. Alle parlierten in ihrer Landessprache und ja, es war höllisch laut und es war auch anstrengend. Bis 22.30h, dann gingen die ersten...
Zwei Tage nach der OP konnte ich nach Hause, war aber leider überhaupt nicht so fit, wie ich mir das vorgestellt hatte, im Bauch verbliebene Rest-Luft nach der laparoskopischen OP quälte mich noch tagelang. Und dann, ja dann hab ich mir sofort den verdammten Yamagata-Virus eingefangen. Influenza B... sehr lästig, schmerzhaft und vor allem hartnäckig.
Nun ist also der 10. März... die ersten beiden Monate des Jahres sind rum und ich war bis auf sehr wenige Tage ständig krank. Zu allem, was sowieso an mir nagt und mich bremst kommt ganz aktuell eine Glaskörpertrübung des rechten Auges, wer braucht sowas?
Aber auch: seit ein paar Tagen zähle ich rückwärts, in wenigen Wochen, genau in 96 Tagen, darf ich endlich erfahren, wer meine Spenderin ist und auch mit ihr telefonieren. Vermutlich bin ich dann einer Ohnmacht nahe, aber ich freue mich so sehr und ich bin wahnsinnig gespannt, wann wir uns endlich sehen werden.
Ich weiß, dass ich, allen Widrigkeiten zum Trotz, geradezu unverschämtes Glück habe, schon bis hierhin gekommen zu sein. Viele, viel zu viele meiner Mitpatienten haben es nicht geschafft, einige kämpfen noch immer bzw. schon wieder gegen Rezidive, Nachwirkungen der Transplantation, gegen neue Grunderkrankungen. Todesfälle in diesem kleinen Kreis lähmen mich immer wieder, machen mir die Fragilität meines eigenen Lebens klar.
Es hört nicht auf und meine Vermutung, lange vor meiner eigenen Transplantation ausgesprochen, hat sich bewahrheitet.
Mein Leben wird nicht mehr so, wie es einmal war. Aber ich lebe! Gute Freunde, Gäste und entfernte Bekannte laufen auf der Straße an mir vorbei, weil sie mich nicht erkennen - alles egal, ich lebe!
Sonntag, 31. Dezember 2017
Hoffnungsvollfroh
„Hoffnungsvollfroh“ - so lautete meine Antwort auf Julia Karnicks*
Mit einem Wort ein ganzes Jahr beschreiben? Ja... geht schon.
Julia hat aus vielen, vielen Antworten zehn ausgesucht und bei deren EinWortErzählerInnen nachgefragt: Was meinst Du damit?
Hier ist meine Antwort (die sie für ihren Blog ein wenig geändert hat):
… nachdem 2016 und auch das erste Halbjahr 2017 von Gift in jeder möglichen Form, furchtbaren Schmerzen, Untersuchungen, zahllosen Bluttransfusionen, Ängsten, Überlebenskampf, lebensbedrohlichen Situationen, Schwäche, Kotzerei und ständigen Rückschlägen gekennzeichnet waren, hat sich in den letzten Monaten so etwas wie Frieden eingestellt. Frieden mit der Situation, Frieden damit, dass ich es sowieso nicht ändern kann, sondern die Entwicklung nehmen muss, wie sie kommt… oder wie sie ausbleibt.
Frieden damit, dass ich nie mehr sein werde wie früher, mein Leben nie mehr so sein wird. Und dann: ich HABE ein Leben! Lange Zeit fast unvorstellbar, dass ich es behalten würde. Froh!
Hoffnungsvollfroh, weil es winzig kleine Schritte in die richtige Richtung gibt und nicht gleich darauf die nächste Ohrfeige folgt.
Hoffnungsvollfroh, weil ich tatsächlich schon wieder ein bißchen arbeiten kann. Nur ein paar Stunden am Tag - aber doch so viel mehr, als ich vor einiger Zeit glaubte. Hoffnungsvollfroh, weil meine grossartige (Stammzell-) Spenderin mir immer wieder schreibt, mir Mut macht, so wie meine Familie und meine Freunde das noch immer machen, wenn die Untersuchungsergebnisse nicht so gut sind wie erwartet. Diese Frau ist mir wichtig, ist schon jetzt Teil meines Lebens und ich bin dankbar, unendlich. Bald werde ich sie sehen dürfen, kennenlernen. Wir beide freuen uns sehr darauf. Hoffnungsvollfroh.
Hoffnungsvollfroh, weil die Aussage "meines" Professors sich bewahrheitet hat: Am Ende des Jahres geht es Ihnen besser! Und also wird es weiter besser werden, stabiler.
Ich bin glücklich, obwohl ich gerade wieder eine Ohrfeige bekommen habe! Und hoffnungsvollfroh am Ende dieses 2017...
*Julia Karnick, Journalistin, Autorin, Bloggerin
http://julia-karnick.de/ - https://www.facebook.com/julia.karnick
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