Die nächste Nacht ist viel zu früh zu Ende...
...die Waschmaschine läuft, frischer Minztee duftet. Die Gedanken kreisen um immer nur ein Thema...
Am 14.06. werde ich stammzelltransplantiert, am 6. Juni gehe ich in die Klinik und werde "konditioniert". Soll heißen, mithilfe einer Hochdosischemotherapie und anschließender Ganzkörperbestrahlung werden mein krankes Knochenmark und damit mein Immunsystem endgültig zerstört.
Ich werde dann für einige Wochen gänzlich ohne Immunschutz sein, entsprechend anfällig und eigentlich in ständiger Lebensgefahr. Mein Körper wird keine Blutzellen mehr bilden, regelmäßige Transfusionen sollen mich am Leben erhalten.
Wenn alles klappt wie gewünscht und die transplantierten Zellen andocken, beginnt etwa 2 - 3 Wochen nach der Transplantation allmählich der Aufbau eines neuen Immunsystems. Allmählich - im wahrsten Sinne des Wortes, denn es wird auch unter optimalen Umständen und ohne GvHD (Graft-versus-Host-Disease) 1 - 2 Jahre dauern, bis der Abwehrwall wieder steht. Bekomme ich eine GvHD, dann kann ein jahrelanger Immundefekt die Folge sein.
Noch 58 Tage...
Ich fühle mich wie in den letzten Schwangerschaftswochen: alles muss gerichtet werden und will organisiert sein. Wenn ich in die Klinik gehe, müssen und sollen die Voraussetzungen für die Zeit danach (perfekt) umgesetzt sein. Ich will das so und ich will meine Liebsten nicht damit belasten, all das während meines Krankenhausaufenthaltes zu erledigen. Kurz vor meiner Entlassung oder kurz vor meiner Rückkehr aus der Reha muss ein Putzkommando nur noch mal letzte, äußerst gründliche Hand anlegen.
Vorgestern habe ich einen Termin mit dem Maler abgemacht, der wird am Tag meiner Transplantation kommen und den Gatten ein bißchen ablenken. Ein neuer, für Allergiker geeigneter und somit besonders "sauberer" Staubsauger steht seit zwei Tagen in der Kammer. 5 l Matratzenreiniger warten auf ihren Einsatz. Desinfektionslösungen für die Hände und Einmalhandschuhe stehen schon bereit, besonders gründliche und geeignete Putzmittel sind bestellt. Küchenschwämme und Schwammtücher sind schon jetzt entsorgt, Spülbürsten auch.
Und auch sonst wird alles geprüft und für tauglich befunden - oder eben nicht, dann kommt's in den Sack...
Meine Vorräte schrumpfen merklich zusammen, Gewürze, Kräuter und alle möglichen Vorräte wurden und werden verteilt, weil ich sie nicht mehr verwenden darf oder weil sie die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, die eine keimarme Kost für Stammzelltransplantierte verlangt.
Keimarme Kost - das wird ein Akt für mich, die ich gerne und leidenschaftlich koche. Mein Leben lang hab ich Probleme weg gekocht; wenn mich etwas belastet hat, dann bin ich in die Küche, habe Marmelade gekocht, Brot gebacken, kompliziertes Zeug gewerkelt. Das ist mal erst vorbei. Meine Nahrung wird für lange Zeit hauptsächlich "tot"gekocht sein müssen. Und Handschuhe werde ich bei der Zubereitung auch tragen. Mundschutz... Sämtliches Geschirr und Besteck aus Holz ist verbannt und verschenkt, das ganze wunderbare Olivenholz-Zeugs aus meinen mallorquinischen Jahren. Weg. Der helle Wahnsinn.
Gestern sagte mein Mann nach einem langen Gespräch über das, was uns bevorsteht "da stellt man sich fast die Frage: willst Du es nicht lassen?" -
Nein!
Aber mein Testament habe ich gestern endlich zu Ende geschrieben.
Erläuterungen und Links:
GvHD - Graft-versus-Host-Disease:
https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/graft-versus-host-erkrankung-akut
Information für Patienten nach Knochenmark- oder Stammzelltransplantation:
Ratgeber für Patienten nach allogener Knochenmark- und Stammzelltransplantation.pdf