Vor exakt 4 Monaten wurde ich stammzelltransplantiert...
4 Monate, die wie im Flug vergangen sind - ein Großteil dieser 4 Monate ist in einem diffusen Nebel verschwunden, der sich glücklicherweise nur ab und an lichtet. Seltsamerweise meistens nachts, wenn ich schlaflos in meinem Bett liege und mich an summende Infusomaten und Perfusoren erinnere.
An meinen ZVK, den zentralen Venen-Katheter, der meine Bewegungsfreiheit rund ums Krankenhaus-Bett auf einen Radius von maximal 2,5 m beschränkte.
An meinen ZVK, den zentralen Venen-Katheter, der meine Bewegungsfreiheit rund ums Krankenhaus-Bett auf einen Radius von maximal 2,5 m beschränkte.
Oft denke ich an meine Spenderin, vor einigen Wochen habe ich ihr anonym schreiben dürfen, ob sie mir wohl antwortet? Wie ich mich freue, schon so weit zu sein, wie ich bin - und dabei doch noch so eingeschränkt und beschränkt in meinem Leben. Vieles gewinnt allmählich an Normalität, sehr langsam und keineswegs sicher.
Vor 9 Wochen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen, schon viele Wochen bin ich also daheim. Länger aber war ich in der Klinik. Und obwohl ich jeden Tag mit meiner Erkrankung und deren Folgen befasst bin, fühlt sich das noch immer unwirklich und seltsam an, vor allem die merkwürdig verschwommenen Erinnerungen beschäftigen mich. Dabei ist es ein Segen, dass sich so Vieles verliert, in Wohlgefallen auflöst. Der lange Aufenthalt in der Uniklinik hat mich verändert. Komischerweise, trotz vieler Tage im erlösenden Opioid-Schlaf, meine Sinne geschärft. Mich trotzdem gleichgültiger gemacht - und auch unerbittlicher.
Meine Tage und Wochen daheim sind bestimmt vom aufmerksamen Beobachten meines Körpers, dem Lauschen nach innen, jede Reaktion auf Essen & Trinken nehme ich wahr, manchmal durchaus beunruhigt. Oft habe ich Schmerzen, auch starke Schmerzen, ich nehme es als gutes Zeichen und hoffe, die nicht mehr so neuen Zellen arbeiten, hoffe, mein Knochenmark kommt langsam in die Gänge und bildet reichlich neue Blutzellen.
Ich hoffe wider besseres Wissen und doch meist voller Optimismus. Es ist typisch für Osteomyelofibrose, dass es dauert, auch lange dauert bis es gut läuft, halbwegs normal. Noch bin ich weit unter dem unteren Limit, aber auch damit kann man überleben. Bedeutet aber auch: schlechte Blutwerte erfordern mehr Aufmerksamkeit auf meine Umgebung, das Vermeiden von Kontakt mit erkälteten oder anderswie kranken Mitmenschen, ständige Hand-Desinfektion auch zuhause, Handschuhe, Mundschutz, das Ertragen von Blicken und dummen Sprüchen ("eigentlich machen das ja nur die Asiaten") beim Einkaufen. Morgens, mittags, abends muss ich einen Haufen Medikamente einnehmen, die mich schützen sollen vor Viren, Bakterien, Abstossungsreaktionen und vielem mehr. Ab und zu denke ich, meine Leber zwickt mich und wehrt sich, tatsächlich aber sind meine Leberwerte deutlich besser geworden. Ich bin sehr sorgfältig mit meiner "Gift-Kiste", richte regelmäßig alles für eine Woche im Voraus und achte darauf, alles pünktlich einzunehmen."Es kann passieren, dass Patienten sterben, nur weil sie ihre Medikamente nicht richtig eingenommen haben." sagt mein Arzt. Ich messe Blutdruck, nicht ganz so regelmäßig wie ich sollte, sammel Urin, untersuche jeden Zentimeter meiner Haut... Einen ganzen Schrank in meiner Küche habe ich leer geräumt für meine ganz persönliche Krankenstation bzw. deren Zubehör. Arbeitsschutzmasken, einfache OP-Masken, die ich beim Putzen trage, literweise professionelle Desinfektionslösungen für die Hände, kleine Fläschchen ebendieser Lösung für jede Handtasche, den Schreibtisch und die Manteltasche, die besagte Giftkiste nimmt den meisten Raum ein.
Jede Woche bin ich in der Klinik, lasse mir Blut abnehmen und manches andere, werde hier und da und auch dort untersucht, immer mit Blick auf eventuelle Symptome und streng gemäß Nachsorgeprotokoll. Immer bin ich am Tag zuvor unruhig und schlafe in der Nacht noch schlechter als sowieso. Gemeinsam mit anderen immunsupprimierten Patienten sitze ich in einem besonderen Wartezimmer und warte auf die Ergebnisse. Mittlerweile kennen wir uns, nehmen wahr, wie die anderen sich verändern, manchmal erschrecke ich, denke, siehst Du auch so mitgenommen aus, so völlig erledigt?
Manchmal kippt mich das anschließende Gespräch aus den Latschen, manchmal bin ich fast euphorisch und glücklich, dass sich die Dinge scheinbar bessern. So wie letzte Woche, als mir "mein" Professor erklärte, dass die mich so ängstigenden Mutationen nicht mehr nachweisbar sind. Immer jedoch bin ich nach den Stunden in der Uni total erschöpft und ausgelaugt an Kopf und Körper und muss schlafen. Heute gehe ich sehr glücklich den langen Weg vom Haupteingang bis zur KMT-Ambulanz, denn dort wartet ein großartiges Geschenk auf mich. Gestern, 4 Monate nachdem eine unbekannte Frau ihre Stammzellen für mich gespendet hat, wurde mir dieses Geschenk angekündigt.
"Liebe Frau Kallen,
mich hat ein Brief Ihrer Spenderin erreicht..."
Liebe Bea, jedes Wort, jede Info, jede Äußerung bedeutet so viel! Du bist da, präsent, greifbar. Du hast recht, die Monate gehen schnell vorbei. Nun hast Du ein Signal bekommen, die Spenderin ist damit auch greifbar geworden, ist sie doch so immens wichtig. Ich freue mich mit Dir über alles, was Dich auf dem Weg voranbringt. Karin
AntwortenLöschenLiebe Bea,
AntwortenLöschenes ist so ergreifend, wie Du uns an Deinem Weg ins neue Leben teilhaben lässt! Ist der Weg auch sehr beschwerlich, Du gehst weiter und Du schaffst das Ziel ( genau so wie Du den Jakobsweg geschafft hast)!